Wohlfahrtsverbände schlagen Alarm:

Sozialpädagogische Arbeit für Kinder, Jugendliche und Familien wird immer öfter überlagert von existentiellen Nöten

Hamburg, 30.05.2024. Die in der AGFW zusammengeschlossenen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege beobachten bei der Arbeit in ihren Einrichtungen, dass sich die prekäre Lage von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien durch die aktuellen Krisen und die hohe Inflation deutlich verschärft hat.

Existentielle Nöte, durch finanzielle Sorgen oder fehlenden bezahlbaren Wohnraum, sind bei vielen jungen Menschen und Familien derzeit so groß, dass die Mitarbeitenden der Wohlfahrtsverbände zum Beispiel in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung vermehrt damit beschäftigt sind, bei der Lösung und Bearbeitung solch grundsätzlicher Sorgen weiterzuhelfen.

Die eigentlichen Aufgaben in Bereichen wie der Bildungs- und Erziehungsarbeit, der Begleitung auf dem Weg zum Erwachsenen oder konkret bei der Ausbildung oder Gesundheitsfürsorge, werden durch die existentiellen Nöte immer öfter überlagert. Die Wohlfahrtsverbände schlagen deshalb Alarm:

„Unsere Einrichtungen sind ein Seismograf für die soziale Entwicklung in unserer Stadt. Und die gibt höchsten Anlass zur Besorgnis: Junge Menschen, die auf existentielle Bedürfnisse zurückgeworfen sind, werden in ihrer Entwicklung ausgebremst. Sie haben nicht die gleiche Teilhabe an Bildung, an Freizeit, überhaupt am gesellschaftlichen Leben. Diese Benachteiligung hat Auswirkungen auf die gesamte Biografie eines jungen Menschen. Das dürfen wir nicht zulassen,“ sagt Sandra Berkling von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW), dem Zusammenschluss der Hamburger Wohlfahrtsverbände.

Dass sich bei jungen Menschen und ihren Familien eine zunehmende Schieflage abzeichnet, veranschaulicht auch der kürzlich veröffentlichte Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der sich auf das Jahr 2022 bezieht (neuere Zahlen liegen nicht vor). So gab es in Hamburg den deutlichsten Anstieg beim Armutsrisiko im Vergleich zum Vorjahr bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren (von 21,0 auf 26,3 Prozent) und bei kinderreichen Familien (28,2 auf 40,1 Prozent).

Nach den Beobachtungen der Wohlfahrtsverbände haben junge Menschen und Familien aufgrund der hohen Lebensmittel- und Energiepreise immer früher im Monat nicht mehr genügend Geld, um sich und ihre Familien adäquat zu versorgen und zu ernähren. Spürbar wird das zum Beispiel daran, dass Kinder und Jugendliche Einrichtungen hungrig aufsuchen oder Angebote mit ergänzendem Essensangebot, wie die offene Kinder- und Jugendarbeit, Infocafés in Wohnunterkünften oder Frühstücksangebote in Kinder- und Familienzentren, viel stärker besucht werden. Oftmals übersteigt die Nachfrage nach solchen Angeboten mit ergänzender Verpflegung inzwischen die Möglichkeiten der Einrichtungen.

Nach Einschätzung der Wohlfahrtsverbände haben immer mehr Familien nicht ausreichend Geld, um den alltäglichen Bedarf zu decken. Notwendig ist eine ausreichende Kindergrundsicherung für alle Kinder. Bis es so weit ist, muss Hamburg etwas tun. Da die Grundversorgung bei immer mehr Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen offenbar nicht sichergestellt ist, fordern wir eine Aufstockung der Sach- und Personalkosten der Einrichtungen, um die nötigsten Bedarfe zu lindern“, so Sandra Berkling.

Zudem verstärkt eine häufig überlastete Verwaltung die existentiellen Nöte leistungsberechtigter junger Familien und junger Erwachsener zusätzlich dadurch, dass die Bearbeitungs- und Wartezeiten bei Anträgen oft sehr lange dauern und Sachbearbeitende nur schwer erreichbar sind. Dies ist auch durch ein aktuelles Projekt der AGFW, den Monitor Verwaltungshandeln, belegt. Im „Monitor Verwaltungshandeln“ hat die AGFW zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 Problemanzeigen von Beratungsstellen ausgewertet, die online eingereicht wurden und im Zusammenhang mit behördlichem Handeln stehen. Ergebnis: Von den knapp 2.000 Problemanzeigen bezog sich gut die Hälfte darauf, dass Leistungsberechtigte zu lange auf eine Bearbeitung ihrer Anliegen warten und dass Ämter und Behörden nicht ansprechbar sind.

Pressekontakt:

AGFW Hamburg e.V.

Sandra Berkling

Tel.: 040 60 77 46 512 

Mobil: 0151 42 54 74 68

Email: sandra.berkling@agfw-hamburg.de
  • 2024-05-30